Gabrielle Chanel und das Kino
24. April 2020
Gabrielle Chanel und das Kino – ein besonderes Kapitel in der außergewöhnlichen Karriere der französischen Modeschöpferin.

Zwischen dem Kino, der neuen Kunstform des 20. Jahrhunderts, und Gabrielle Chanel entstand ein kontinuierlicher, kreativer Dialog, dessen Signatur die „Siebte Kunst“ noch immer trägt. Kaum zehn Jahre trennen die Geburt von Gabrielle Chanel 1883 von der des Kinos im Jahr 1895. Eine außergewöhnliche Verbindung, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurden.
Sie war noch ein Kind, als das Kino zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine noch nie dagewesene Revolution in der Kunst auslöste, die Bilder in Bewegung setzte. Als Modeschöpferin war es genau diese Bewegung, die den Kern ihrer Idee bildete, nämlich den Körper zu befreien, um weiblichen Silhouetten Rhythmus zu verleihen.

Cocos Intuition ermöglichte es ihr, schnell zu begreifen, welche Bedeutung dieses neue Medium für die Kultur des 20. Jahrhunderts haben sollte. Sie erkannte die Chance, Mode und Film zusammenzuführen: „Durch Kino kann Mode heute umgesetzt werden“ (1), sagte sie 1931 und war sich ihrer Durchsetzungskraft und der Visibilität für ein größeres Publikum klar bewusst. Im selben Jahr bat sie der Filmmogul und Produzent von United Artists, Samuel Goldwyn, seine Schauspielerinnen einzukleiden. Ein neues Projekt, das besonders im Film Tonight or Never (1931) deutlich erkennbar wurde, in dem Chanel Gloria Swansons Kostüme entwarf. Außerdem gehörte ein Flakon N°5 zu dem Dekor.

Dennoch schien diese Lektion in Pariser Eleganz zu simpel für Kritiker und Schauspielerinnen in Hollywood. Gabrielle weigerte sich Kompromisse einzugehen, schlug Hollywood die Türen zu, aber nahm etwas mit, dessen sie sich absolut sicher sein konnte: ein ausgesprochenes Gespür für Fotogenität, das ihr ermöglichte, Schnitte und Stoffe zu wählen, die der Silhouette schmeicheln, um das Licht auf der Leinwand perfekt einzufangen. Kostüm und Mode bildeten nun die Architektur einer Szene.

Sie bat den aufstrebenden Filmemacher Robert Bresson, ihre Schmuckkollektion Bijoux de Diamants (1932) zu fotografieren. Bressons einzigartiges Gespür für die Bild- und Lichteinstellung war ihr offensichtlich nicht entgangen. Zurück in Paris kooperierte Gabrielle Chanel mit diversen französischen Regisseuren: Marcel Carnés Le Quai des Brumes (1938), Jean Renoirs La Marseillaise (1938), The Human Beast (1938) und The Rules of the Game (1939), für den sie die Kostüme aller weiblichen Rollen entwarf. Die Attitüde einer der Schauspielerinnen, die mit den Händen in den Taschen posierte, verkörperte den feminin-maskulinen Stil, den Gabrielle Chanel liebte. Als der Film veröffentlicht wurde, wurde der Krieg erklärt. Es sollte Gabrielle Chanels letzte künstlerische Zusammenarbeit mit dem Vorkriegskino sein.
Nach ihrer Rückkehr in die Modeszene in den 1950er Jahren wurde Mademoiselles Vision von Mode durch das legendäre Bouclé-Kostüm verkörpert, das perfekt zu der Modernität einer aufstrebenden Kinoästhetik passte: The French New Wave.

Jeanne Moreau, die eine enge Freundin von Gabrielle wurde, wählte selbstverständlich CHANEL für ihre Rollen in The Lovers (1958), Elevator to the Gallows (1958) und Les Liaisons Dangereuses (1960). Als Inbegriff der Moderne entschieden sich fortan viele Schauspielerinnen der New Wave-Ära für CHANEL. Und bezeugten damit die Faszination der Marke – als Verkörperung zeitloser Moderne.

Chanels Streben nach Eleganz zeigt sich besonders deutlich im Film Last Year in Marienbad (1961), für den Alain Resnais Gabrielle Chanel um Entwürfe bat, die sowohl die Persönlichkeit der Filmstars hervorheben als auch an die 1920er Jahre erinnern sollten. Teile aus ihrer Haute Couture Kollektion kleideten die Schauspielerin Delphine Seyrig, die für ihre Rolle eine totale physische und gestische Transformation durchlaufen sollte.

Der künstlerische Dialog zwischen Gabrielle Chanel und der neuen Generation der Filmemacher und Schauspielerinnen sollte Früchte tragen. Chanel verhalf Anna Karina zu ihrem Namen und Visconti machte sie mit Romy Schneider bekannt: „Chanel hat mir alles beigebracht, ohne mir jemals einen Rat zu geben. Chanel ist keine Modeschöpferin, wie die anderen … Sie erschafft eine Eleganz, die den Geist noch mehr erfreut als die Augen.“ (3)
Als Boccaccio‘70 1962 auf die Leinwand kam, trug Romy Schneider in jeder Szene CHANEL. Vom Kostüm über die gesteppte Tasche, vom Perlenschmuck und Two-Tone Pumps bis hin zum Parfum N°5. Ein wahres Manifest, das von Romy Schneiders schauspielerischem Talent und ihrer Faszination für CHANEL besiegelt wurde. Von der Goldenen Ära Hollywoods über das französische New Wave-Kino bis hin zur Avantgarde hat Gabrielle Chanel Kino-Ikonen Modernität verliehen. Ihr Stil bleibt für immer in den Köpfen verankert, sowohl auf der Bühne als auch im wahren Leben.
(1) La Revue du cinema, 1. September 1931
(2) Zitat von Gabrielle Chanel aus dem Buch Le Temps devoré, Denise Tual, Fayard-Ausgaben, 1980.
(3) Interview mit Romy Schneider in Elle, 20. September 1963.